Für den 11. September 2008, den 7. Jahrestag des Anschlags auf die New Yorker Twin Towers, hat das Kommunale Kino Metropolis eine Vorführung des Films »Unter flascher Flagge« angekündigt. Die Produktion des Leipziger Filmemachers Frank Höfer soll belegen, dass für das Attentat, das über 3.000 Menschenleben forderte, nicht islamistische Terroristen, sondern US-amerikanische Regierungskreise verantwortlich gewesen seien.
Andreas Kühne vom Vorstand der Hamburger Studienbibliothek e.V erklärte hierzu: »Was das Metropolis-Kino plant, ist nicht Aufklärung, sondern ihr Gegenteil: Propaganda. 'Unter falscher Flagge' stellt den Mördern des 11.9. einen Persilschein aus. Zugleich verhöhnt er deren Opfer, die als Material für billige Kolportage und sensationsgieriges Ressentiment dienen müssen. Der Film belegt keine seiner abstrusen Behauptungen, sondern erschöpft sich in vagen Andeutungen und wilden Spekulationen. Wer aber ohnehin zu der Vorstellung neigt, dass hinter allem Übel der Welt 'Amerika' steckt, den bestärkt er in seinem Wahn. Und das werden stetig mehr.«
Die Behauptung, die USA hätten den Anschlag zur psychologischen Kriegsvorbereitung selbst inszeniert, erfreut sich seit Jahren in verschwörungstheoretischen Zirkeln großer Beliebtheit. Dort ist Höfer kein Unbekannter: Seine Website befasst sich vordringlich mit angeblichen konspirativen Machenschaften von Illuminaten und anderen so genannten »Geheimgesellschaften«. Ähnlich dubiosen Kreisen entstammen jene Gewährsleute, die im Film als »Experten« zu Wort kommen. Die Publizisten Matthias Bröckers und Andreas Hauss, Andreas von Bülow und Jochen Scholz sind nicht nur gern gesehene Gesprächspartner der rechtsextremen Jungen Freiheit oder des islamfundamentalistischen Muslimmarkts. Insbesondere der frühere taz-Redakteur Bröckers steht zudem wegen wiederholter antisemitischer Äußerungen etwa zum Anteil der von ihm so genannten »Kosher Conspiracy« am 11.9. in der Kritik.
Bereits im Juni dieses Jahres hatte es den Versuch einer bislang unbenannten Gruppe gegeben, den Film im Hamburger Stadtteilzentrum Kölibri / GWA St. Pauli Süd zu zeigen. Auf Intervention der Hamburger Studienbibliothek, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und anderen distanzierte sich das Kölibri von den Veranstaltern und verwehrte ihnen die weitere Nutzung von Räumlichkeiten. Auf dem Weblog von Mathias Bröckers, der den Vorgang kommentiert hatte, kam es daraufhin zu zahlreichen antisemitischen Einträgen und Schmähtiraden über die angeblich »vom Mossad gesteuerte Kampagne«, ohne dass der Autor oder sein Verlag eingeschritten wäre (siehe http://www.zweitausendeins.de/writersblog/broeckers, Eintrag vom 20. Juni).
»Allein deswegen«, so Kühne, »verbietet sich jede Vorführung von 'Unter falscher Flagge'. Dass das Metropolis-Kino ausgerechnet am 11.9. bekennenden Verschwörungstheoretikern, Amerikahassern und Antisemiten ein Forum bietet, bedeutet einen handfesten Skandal ganz gleichgültig, ob versäumt wurde, sich hinreichend über den Film zu informieren, oder ob er in voller Kenntnis seines Inhalts ins Programm genommen wurde. Wenn aus diesem Versagen keine grundlegenden auch personellen Konsequenzen gezogen werden, hat sich das Metropolis als ernstzunehmende kulturpolitische Institution verabschiedet.«
Die Hamburger Studienbibliothek e.V. ist ein unabhängiger gemeinnütziger Verein zur Förderung politischer und gesellschaftswissenschaftlicher Bildung. Neben dem Leihbetrieb organisiert die HSB Diskussionsveranstaltungen, Seminare und Lesekreise. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Bekämpfung von Antisemitismus.
Den Offenen Brief der HSB an das Kölibri / GWA St. Pauli Süd zur
Vorführung von »Unter falscher Flagge« finden Sie unter
http://www.studienbibliothek.org/texte/entschwoerung.pdf.
Dort sind auch verschiedene Quellen und weiterführende Links angegeben.
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