Hamburger Studienbibliothek


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Rede von Lars Quadfasel auf dem antifaschistischen Aktionstag gegen Irangeschäfte am 12. August 2009 in Hamburg

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie im Namen der Stop-the-Bomb-Koalition Hamburg und der Hamburger Studienbibliothek.

Wer dieser Tage gegens klerikalfaschistische Mullah-Regime seine Solidarität mit der iranischen Aufstandsbewegung demonstrieren will, gerät leicht in eine merkwürdige Gesellschaft. Zu denken ist dabei an jene großen, gut organisierten Kundgebungen, die für sich als »unparteiisch« werben – und die daher auch nicht zögern, alles, was allzu käpferisch klingt, wegen Parteilichkeit auszuschließen. Deren Organisatoren geben sich häufig alle Mühe, das Fußvolk bei der Stange und also im vom Wächterrat vorgegeben Rahmen zu halten – als ginge es im Iran immer noch bloß um die freie Wahl zwischen den Kandidaten des Regimes, zwischen Ahmadinejad und Moussavi, und nicht vielmehr, ob die Protestierenden wollen oder nicht, um die Grundfesten der Islamischen Republik.

Zu denken ist aber auch, und zwar in erster Linie, an jene Kundgebungen, deren Parolen beim ersten Hören am vielversprechendsten klingen. In schöner Regelmäßigkeit aber trifft man dort genau jene Gestalten wieder, von denen man dachte, dass gerade ihr politisches Projekt am nachhaltigsten von der iranischen Protestbewegung blamiert worden sei: Antiimperialisten, Attac-Hetzer und andere Herz-Jesu-Stalinisten – all die Typen also, die jahrelang die Teheraner Schlächter gegen jede Kritik und jede Intervention in Schutz genommen haben.

Dass irgendwelche abgehalfterten Linkskader sich fernab des Geschehens zum Protestverwalter aufschwingen, kann zwar der iranischen Opposition einigermaßen egal seien. Uns jedoch nicht. Wer hierzulande mehr will, als wohlfeile Grußadressen an die Protestbewegung zu senden; wer, wie heute, die Feinde der Freiheit, nämlich die deutscheuropäischen Sponsoren des Regimes, ins Visier nehmen will, der nimmt sich selbst nicht ernst, wenn er zugleich die antiimperialistische Bagage duldet.

Selbst beinharten Antiimperialisten dämmert ja allmählich, wie marode das Mullah-Regime längst ist. Nach der Wahl hatte man sich noch, nach dem Vorbild lateinamerikanischer Caudillos, in Ergebenheitsadressen an Ahmadinejad förmlich überschlagen; inzwischen aber gehen sogar die Nationalbolschewisten von der 'jungen Welt' auf Distanz. In einem Interview lässt man die Sprecherin einer Gruppe namens »Hands Off the People of Iran« das Mullah-Regime wegen mangelnder antizionistischer Konsequenz geißeln: »Wohlklingende Reden über die Befreiung Palästinas sind eine Sache – eine andere sind aber Wirtschaftsabkommen mit zionistischen Firmen.«

In der Phantasie deutscher Linksnationalisten, heißt das, kämpft die iranische Opposition nicht um die Befreiung vom Mullah-Regime, sondern um die Befreiung Jerusalems von den Juden. Was nicht passt, wird passend gemacht. In einem Aufruf deutscher und exiliranischer Friedensfreunde, die sich vor allem als Lobbyisten gegen Wirtschaftssanktionen einen Namen gemacht haben, heißt es dementsprechend: »Wenn wir die Sanktionen des Auslandes gegen das iranische Volk verurteilen, verurteilen wir umso mehr inländische Sanktionen gegen friedliche Demonstranten, Journalisten, Gewerkschaftler, Professoren, Studenten u. a. Dadurch entzieht sich die Regierung auch die eigene inländische Basis gegen die ausländische Bedrohung. […] Wir erinnern daran, daß der gegen Iran aufgebaute Belagerungszustand und die fortwährende Drohkulisse nun wieder auf fatale Weise vor Augen führen, wie sehr dadurch die Spielräume für eine demokratische Entwicklung beschnitten werden.« Wir lernen: Man muss die Folterung und Ermordung von Oppositionellen bloß in »Sanktionen« umbenennen, und schwupps stimmt das linke Weltbild wieder. Darin ist es nicht etwa das Regime, dessen Terror »Spielräume für eine demokratische Entwicklung« beschneidet, sondern eine ominöse ausländische »Drohkulisse«. Schuld sind am Ende doch wieder die Amis und die Zionisten – und die Mullahs nur insoweit, als ihre Repressionen Wehrkraftzersetzung im antiimperialistischen Kampf bedeuten.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen:

Mit denen, die am Mullah-Regime vor allem stört, dass es im Kampf gegen Israel und Amerika noch nicht entschlossen genug vorgehe;

mit denen, die noch im Januar diesen Jahres für die Judenmörder der Hamas auf die Straße gegangen sind;

mit denen, die – wie in Berlin – nach der Polizei riefen oder – wie in Hamburg – gleich zum Faustrecht griffen, als auf Kundgebungen gegens iranische Regime auch Partei für Israel ergriffen wurde – mit diesen Hilfsbasidschi der antisemitischen Internationalen darf es im Kampf gegen die Islamische Republik keine gemeinsame Sache geben.

Und das nicht aus linksdeutscher oder linksantideutscher Befindlichkeit heraus, wie manche uns vorzuwerfen belieben – sondern weil der Kampf um Freiheit im Nahen Osten immer zugleich ein Kampf um Israel sein muss. 'Ja zu Hamas und Hisbollah – Nein zu Ahmadinejad' ist ein Ding der Unmöglichkeit. Denn Hamas und Hisbollah, diese an den israelischen Grenzen operierenden Vernichtungsrackets, sind nichts anderes als Ziehkinder des iranischen Regimes. Und genau diese Rackets, denen die weltweite Verehrung aller Antiimperialisten gilt, sind Ahmadinejad und Khamenei bei der Niederschlagung der iranischen Opposition freudig zu Hilfe geeilt.

Dennoch gibt es auch unter denen, die selber für Antiimperialismus nichts übrig haben, ein Bedürfnis, in Sachen Israel neutral zu bleiben. Für exiliranische Oppositionelle, schreibt etwa die Gruppe Emancipate, sei »es sicherlich ärgerlich, wenn herkunftsdeutsche Linke ihre politischen Differenzen bezüglich des Nahostkonflikts ausgerechnet auf ihrer Solidaritätskundgebung für den Iran austragen« – als wäre die Fixierung auf Israel ein komisches deutsches Steckenpferd, vor dem der Rest der Welt, und vor allem der Rest der Linken, überall anders gefeit ist.

Und auch die Organisatoren des heutigen bundesweiten Antifa-Aktionstags bekunden, nichts mit Sanktionen oder gar – als würde das irgendwie auf der Tagesordnung stehen – mit Kriegsdrohungen am Hut zu haben. Denn das, weiß der linke Common Sense, ist Sache der Antideutschen, das heißt der mit Israel solidarischen Kommunistinnen und Kommunisten. Solcherart Zentrismus fällt dabei hinter jene iranischen Oppositionellen zurück, deren Slogan »Wir sterben nicht für Gaza und Libanon« lautet; zurück hinter jene, die auf die Aufforderung, beim Freitagsgebet »Tod Amerika, Tod Israel« zu skandieren, mit »Marg bar Rusia«, »Tod Russland« antworteten – Tod also dem Staat, der sich momentan am eifrigsten bemüht, die iranischen Atombombenambitionen diplomatisch zu decken.

Es kann, mit anderen Worten, die Kritik des Antizionismus nicht vorübergehend zurückgestellt werden, um irgendwelche Aktionseinheiten zu gefährden. Jeder weiß, oder kann wissen: Ahmadinejad und Khameini streben, in der Krise mehr denn je, nach der Bombe. Und jeder weiß, oder kann wissen: Israel wird es sich nicht leisten können, auf die in hiesigen Medien beliebten Abwiegelungsversuche zu hören, das sei doch alles gar nicht so bedrohlich. Israel weiß aus geschichtlicher Erfahrung, dass man Apokalyptiker, die mit der Auslöschung der Juden drohen, besser beim Wort nehmen sollte. Und Israel wird daher, wenn es zum äußersten kommt, tun müssen, was notwendig ist: ein Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen, notfalls auch im Alleingang; alles andere wäre Selbstaufgabe des jüdischen Staates. Und wie begrenzt auch immer, wird ein solcher Schlag blutige Konsequenzen haben – für die Israelis, aber eben auch für die Iranerinnen und Iraner, deren Leben in den Plänen ihrer Führung noch nie eine große Rolle gespielt hat.

Kriegstreiber ist daher nicht, wer – durch politischen Druck und wirtschaftliche Sanktionen – verhindern will, dass es zu diesem Äußersten kommt. Umgekehrt: Wer jetzt nicht die Gefahr, die Israelis und Iranern gleichermaßen von der Bombe droht, in den Mittelpunkt stellt; wer jetzt die historische Chance hintertreibt, den Teheraner Staatsapokalyptikern in den Arm zu fallen, wo es noch möglich, der nimmt billigend in Kauf, dass sich der Nahe Osten in ein blutiges Schlachtfeld verwandelt.

Antiimperialismus – und seine logische Kulminationsform, der Antizionismus – ist eben nicht zufällig der Grundpfeiler der islamistischen Konterrevolution und ihrer deutscheuropäischen Fürsprecher. Mit der Feinderklärung gegen Zionisten und Kreuzritter hat sich schon 1979 die iranische Linke vor den Karren Khomeneis spannen lassen; heute stellt sie die letzte Hoffnung der Teheraner Mörderbanden dar. Statt nach Glück und Freiheit zu streben, sollen, so das Kalkül, die Oppositionellen, die Frauen, die Jugendlichen bereit sein, wenn nicht für Ahmadinejad, dann doch wenigstens für Jerusalem zu sterben; sollen bereit sein, sich unterzuordnen der Front gegen Israel. Mit der Bombe würde diese Front, weiter über den Iran hinaus, zementiert und der Führungsanspruch der Mullahs befestigt. Genau das ist es, was zu durchkreuzen heute notwendig ist – by all means necessary.

Es sind daher nicht die mit Israel solidarischen Kommunistinnen und Kommunisten, denen, wie stets unterstellt, das Wohlergehen der iranischen Bevölkerung gleichgültig ist. Es sind vielmehr die Antiimperialisten, die Linksliberalen und No-Globos, denen diese am Arsch vorbei geht; die Berufsrebellen und altgedienten Unterschriftsteller, die jetzt ihre routinierten Aufrufe verfassen, um sich im Glanze einer neuen Massenbewegung zu sonnen. Wer jahrelang vornehm über Steinigungen, Frauenunterdrückung, Schwulenmord geschwiegen hat, um nicht als, wie man das so nennt, 'islamophob' zu gelten, entdeckt die Protestbewegung gegens Mullahregime als neuen Kraftquell fürs alte Projekt. Alle, die noch im Januar 2009 den infamen Aufruf »Israel must lose« unterzeichneten, stehen heute, von Balibar bis Zizek, plötzlich unter einer Solidaritätserklärung für die iranische Opposition – als wäre diese das lang ersehnte Kanonenfutter für die nächste antizionistische Mobilisierungswelle.

Und damit alles beim alten bleiben kann, schreibt dieser Aufruf den Oppositionellen gleich das folgende ins Stammbuch: »Jahre der auslandsgeförderten Demokratie-Werbung in verschiedenen Teilen der Welt haben dazu beigetragen, gegenüber Bürgerbewegungen, die einen Anspruch auf direkte demokratische Legitimation erheben, eine wohlbegründete Skepsis zu verbreiten.« Bloß nicht westlichen Verlockungen erliegen also – sondern lieber ganz authentisch selbstbestimmt in der Rolle verharren, die Europa und seine Intellektuellen für die Bewohner anderer Kontinente vorgesehen haben: als demokratieunfähige Barbaren.

Noch weniger als für die Ziele der Demonstranten interessiert man sich dabei für die der Demonstrantinnen. Kein Wunder: Knüpfen sie doch nicht zuletzt an jene Frauen an, die 1979 zu hunderttausenden gegen den Schleier auf die Teheraner Straße gingen. Während deren Parole hieß, Freiheit sei nicht östlich oder westlich, sondern universal, so gilt hierzulande inzwischen das genaue Gegenteil: Für Geschlechtergleichheit nicht nur in Hamburg, in Washington oder in Wanne-Eickel, sondern auch in Kabul, in Ramallah und eben in Teheran einzutreten, das sei schlicht und ergreifend »rassistisch«. Wer aber – ob in Kreuzberg oder im Iran – nicht länger unter Kopftuch und Burka ersticken will, muss sich von habilitierten Genderexpertinnen wie Christina von Braun als »Komplizin des westlichen Entschleierungsdiskurses« denunzieren lassen. Denn was eine echte Orientalin ist, die, so der linksdeutsche Common Sense, trägt ihren Schleier mit Stolz.

Dass man den Iranern keinesfalls mit einem emanzipatorischen Universalismus kommen sollte – in dieser kulturrelativistischen Denunziation von Freiheit und Aufklärung sind sich freilich die Propagandisten der Linken mit denen des Kapitals einig. Daniel Bernbeck, Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer in Teheran, formuliert das ganze so: »Ich denke, Demokratie ist immer ein Begriff, der mit nationalem Verständnis und mit lokaler Kultur zusammenhängt. […] Ich denke, auch die Iraner haben ihre ganz eigene Vorstellung von dem, was Freiheit ist, was Unabhängigkeit ist, und auch, was Demokratie ist. Insofern verbietet sich aus meiner Sicht eine schlichte Übertragung dessen, was wir in Deutschland darunter verstehen.«

In genau diesem Sinne ging dann auch die im Iran tätige deutsche Firma Knauf Gips KG voran: Sie verbot ihren Mitarbeitern per Kündigungsdrohung die Teilnahme an Demonstrationen. Man will sich ja schließlich nicht in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Landes einmischen.

So schließt sich der Kreis – und macht deutlich: Wer hierzulande den Iranerinnen und Iranern beistehen will, den Tugendterror der Ayatollahs zu brechen, tut das am besten, indem er diejenigen angreift, die von hier aus – ob ökonomisch, diplomatisch oder ideologisch – ihre schützende Hand über die Schlächter halten. Dazu gehören jene Firmen, die im Gottesstaat ihr himmlisches Investitionsklima vorfinden – ebenso wie jene Think-Tanks, die von einer deutsch-iranischen Achse gegen Amerika träumen. Nicht zuletzt aber deren publizistischen Hilfstruppen, die unter dem Etikett 'deutsche Linke' firmieren.

Vielen Dank.