antimuslimischen RassismusMuslime als Rasse konstituiert
Eigentlich, sollte man meinen, hätten »antirassistische und autonome Zusammenhänge« genug zu tun. Unverändert werden Flüchtlinge und Migranten mit dem Bodensatz der öffentlichen Meinung konfrontiert, von Ausländerbehörden schikaniert und tagtäglich in Ungewissheit, Elend oder sogar den sicheren Tod abgeschoben; und während zahlreiche Käffer, vor allem im Osten, immer noch als No-Go-Areas für alles, was fremd aussieht, fungieren, führen sich die Deutschen ganz unverhohlen gegenüber Griechenland als Kolonialherr auf. Die Linke aber vermag das alles nicht recht in Wallung zu bringen. Um »fehlenden Aktivismus« zu überwinden und »Handlungsfähigkeit« zurück zu erlangen, bedarf es schon etwas Exquisiterem: eines so genannten »antimuslimischen Rassismus« etwa. Zu dessen Bekämpfung findet vom 12.–14. Oktober in der Roten Flora ein Kongress statt, dessen Versprechen vor allem darin besteht, was auf ihm – bündig in einem »Disclaimer« zusammengefasst – nicht thematisiert werden soll: Islam? »Darum geht’s doch gar nicht!«1 Und weil auf dem Kongress tatsächlich vom Islam, also von Religion, also von Religionskritik geschwiegen werden soll, bleibt vom »antimuslimischen Rassismus« am Ende nur eins übrig: die Muslime als Rasse.
Selbstverständlich ist das Aktionsfeld »antimuslimischer Rassismus« (in der Kongressankündigung liebevoll »AMR« abgekürzt) nicht wirklich neu. Als »Islamophobie« ist es schon seit geraumer Zeit bekannt. Inspiriert vom iranischen Mullahregime, das 1979, anlässlich der Massenproteste gegen die Zwangsverschleierung, die beteiligten Frauen zu Feindinnen des Islams erklärte, begannen islamische Würdenträger in der Folgezeit, alles, was ihren Machtanspruch in Frage stellte, als Angriff auf ihre religiöse Identität, ergo als Diskriminierung zu brandmarken. Was sich als Kampfbegriff zunächst vor allem gegen Abtrünnige und Unbotmäßige in den eigenen Reihen richtete, wurde eilfertig von westlichen Linken aufgenommen und verbreitet, bis es schließlich Eingang in den akademischen Mainstream fand. Während es sich für Konservative ohnehin von selbst versteht, dass religiöse Gefühle sakrosankt zu sein haben, brauchen ihre Kontrahenten, um dem Hang zu Brauch und Tum nachzugeben, den Umweg über ›unterdrückte Völker‹ und ›autochthone Kulturen‹. Der Begriff der »Islamophobie« hat so eine bizarre Querfront geschmiedet, die sich als Schutzherr der Gemeinschaft der Rechtgläubigen geriert – gegen populistische Schmähungen genauso wie gegen feministische Kritik und Satanische Verse. In Zeiten leerer Kassen ist das gern gesehen: Würde und Ehre sind billiger zu haben als die Partizipation aller am gesellschaftlichen Reichtum.
Die Organisatoren des Flora-Kongresses sind sichtbar bemüht, zu dieser Art Querfront-Linken auf Distanz zu gehen. Sie sprechen statt von »Islamophobie« von »antimuslimischem Rassismus«, und sie konzedieren sogar, »Kritik am Islam als Religion« sei »sicherlich angebracht und wichtig« – nur eben nicht auf ihrem Kongress. Und zweifellos würden sie weder mit den Antiimps Hamas und Hisbollah als Speerspitze der ›kämpfenden Völker‹ feiern noch mit Lafontaine den Islam als Quell der Gerechtigkeit, weder mit Elsässer dem großen Vorsitzenden Ahmadinejad die Hand schütteln noch mit Christina von Braun migrantische Kopftuchgegnerinnen als »Komplizinnen kolonialer Entschleierungspolitik« denunzieren. Sie wollen nur gegen »Stereotype« und »Vorurteile«, gegen »Kategorisierung« und »Homogenisierung« antreten; sie meinen es also doch nur gut.
Gut gemeint, allerdings, ist das Gegenteil von gut gemacht.
AMR– ein kleines Potpourri
Kaum jemand würde bestreiten wollen, dass vieles von dem, wogegen die Organisatoren sich wenden, abstoßend ist: Blogs wie »politically incorrect« ebenso wie Sarrazins Bucherfolge, der baden-württembergische ›Muslim-Test‹ ebenso wie das Schweizer Minarettverbot. Fraglich jedoch, ob all das mit »antimuslimischem Rassismus« korrekt erfasst ist; ob also, wie der Terminus es suggeriert, zum allgemeinen chauvinistischen Ressentiment gegen ›das Fremde‹ noch ein spezifisch anti-islamischer Affekt quasi strafverschärfend hinzutritt. Dass die Autoren des Ankündigungstextes das so sehen, bleibt anzunehmen – mehr aber auch nicht. Denn was genau sie unter »antimuslimischem Rassismus« verstehen, bleibt absichtsvoll im Vagen. Eine eklektische Aneinanderreihung von Aussagen, Meinungen und Eindrücken soll vielmehr suggerieren, es herrsche von links bis rechts, von den Kreuzzügen bis heute nahezu unangefochten eine feindliche Stimmung gegenüber dem Islam.
Die Krux an Beispielen ist, dass sie nicht für sich sprechen, sondern erst durch Theorie beredt werden. Für jedes Beispiel, das der Ankündigungstext aufführt, lässt sich daher zwanglos ein Gegenbeispiel bringen: für jeden Heißsporn, der die Freiheit am Hindukusch verteidigen will, ein Friedensfreund, der die besonderen Beziehungen Deutschlands zur muslimischen Welt betont, und für jeden ›Spiegel‹-Autor, der von der »Islamisierung Deutschlands« raunt, ein FAZ-Redakteur, der Vertreterinnen eines liberalen Islams als »Regierungsmuslime« beschimpft. Die Autoren verweisen auf den Innenminister, für den der Islam nicht zu Deutschland gehört, nicht aber auf den Bundespräsidenten, der bekanntlich genau das Gegenteil behauptete, und deuten anklagend auf die Einbürgerungstests, verschweigen aber Schäubles Islam-Konferenz genauso wie die Einbindung von Mili Görus in den schulischen Religionsunterricht. Wenn der Ankündigungstext irgendetwas belegen kann, dann höchstens, wie selektiv die Organisatoren die bundesdeutsche Wirklichkeit wahrnehmen müssen, damit ihr Weltbild nicht brüchig wird.
Der Verzicht auf begriffliche Entfaltung hat noch weit drastischere Konsequenzen. Auf wen oder was der »antimuslimische Rassismus« genau abzielt, bleibt weitgehend unklar. Mal heißt es, er richte sich »gegen Menschen, die … als Muslime definiert und wahrgenommen werden, auch wenn sie sich dieser Gruppe nicht zugehörig fühlen.« Aufgrund von Herkunft oder levantinischem Aussehen dem Islam zugerechnet zu werden, ist fraglos eine rassistische Zumutung2; wenn auch in diesem Zusammenhang weniger von einem »antimuslimischen« als von einem »muslimisierenden Rassismus« zu sprechen wäre. Dann wieder heißt es, es würden »Mitglieder dieser konstruierten Gemeinschaft … homogenisiert und auf zugeschriebene kulturelle bzw. religiöse Eigenschaften reduziert.« Auch das sicherlich ein Problem; als gäbe es nicht, genau wie Weihnachtsmessechristen, auch Zuckerfestmuslime, denen herzlich egal ist, was ihr Imam über die Rolle der Frau oder die Verworfenheit der Ungläubigen zum Besten gibt. Immer wieder aber, und ganz und gar nicht zufällig, ist gleichrangig auch von »Vorurteilen gegen den Islam«, etwa von dessen »Darstellung als kriegerisch-terroristischer Religion« die Rede. Spätestens da schlägt der Kampf gegen »antimuslimischen Rassismus« in Apologie um.
Rassismus, so das hier aufgerufene linke Alltagsbewusstsein, heißt falsche Pauschalisierung, Stereotypisierung, kurz: Vorurteil; und wenn es einen »antimuslimischen Rassismus« gibt, so kann daher auch jede Aussage über den Islam nur ein, wie es in solchen Fällen heißt, ›Konstrukt‹ sein – kein Urteil, sondern a priori Ressentiment. Die Welt des »antimuslimischen Rassismus« ist, wie schon die zahllosen kontextfrei über den Text verstreuten »angeblich« und »vermeintlich« anzeigen, eine des totalisierten Ungefähr, in der keine Tatsachen mehr existieren, sondern bloß noch die böswillige Intention, aus der heraus sie benannt werden. Das Bedürfnis der Organisatoren, vom Islam nicht reden zu müssen, realisiert sich als Beschluss, von dessen Herrschaftscharakter zu schweigen: Von einer »angeblichen Gefahr« durch islamistischen Terrorismus ist zu lesen, als hätte es 9/11 und die Londoner U-Bahn-Bomber, die Selbstmordattentäter von Fatah und Hamas und die Folterkeller der iranischen Revolutionsgarden nie gegeben. Und dass das Ende der Taliban-Diktatur für Frauen eine »Befreiung« bedeutet haben könnte, scheint so undenkbar, dass man es gar nicht mehr an den tatsächlichen Resultaten der Intervention überprüfen müsste, sondern umstandslos als »vorgeschoben« in Anführungszeichen setzen kann.
Der Preis der Verleugnung heißt, Ironie des Schicksals, Naturalisierung. Dass das, was Muslime als Muslime konstituiert (und damit auch als Opfer eines »antimuslimischen Rassismus«), nicht bloß arbiträre Zuschreibungsprozesse sind, sondern das Bekenntnis zu einem institutionalisierten Glaubenssystem, wissen natürlich auch die Autoren; weil sie es aber nicht wahrhaben wollen, schlägt es im Text die tollsten Kapriolen. In einer Aufzählung von Merkmalen, aufgrund derer Menschen angeblich willkürlich als Muslime definiert würden, findet sich in einer Reihe mit Namen, Haarfarbe und Muttersprache auch das Kopftuch – dessen Tragen den Autoren offensichtlich als ebenso schicksalshaft und naturgegeben erscheint wie all die anderen Zufälle der Geburt. Gerade die, die sonst stets betonen, wie wichtig es sei, von Rassismus Betroffene als handelnde Subjekte zu begreifen (und an anderer Stelle im Text auch ganz unbekümmert vom Schleier als Mittel schwärmen, »Selbstbewusstsein zu demonstrieren«), streichen, wo es ihnen zu heikel wird, jeden Anteil individueller Praxis durch. So landen sie ganz zwangsläufig bei einer Vorstellung, auf die sich hiesige Rassisten mit islamischen Funktionären, denen Abfall von der Gemeinde bekanntlich als Verbrechen gilt, immer schon haben einigen können: Als Kopftuchmädchen wird frau geboren.3
Ohnehin ist bemerkenswert, wie sehr die Autoren immer wieder ihr eigenes Anliegen unfreiwillig unterminieren. Liest man ihre Beispiele für »antimuslimischen Rassismus«, gewinnt man unweigerlich den Eindruck, dass das Schlimmste, was dieser anzurichten vermag, darin besteht, schlecht über Menschen zu reden. Angesichts der realen Probleme, mit denen Migrantinnen und Eingebürgerte, auch und gerade aus den muslimischen Communities, sich hierzulande herumzuschlagen haben – Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Zugang zu Bildungschancen etwa –, wirkt das eher beruhigend denn alarmierend. An anderer Stelle, wenn es um antisemitische Angriffe durch muslimische Jugendliche geht, wird angemahnt, die Ursache nicht im Islam zu suchen, sondern in der »sozialen Komponente« – ganz wie damals bei den Pogromen von Hoyerswerda und Rostock, die bekanntlich mit ein paar mehr Sozialarbeitern und Tischtennisplatten leicht zu vermeiden gewesen wären. Und in Bezug auf die Ehrenmorde verweist der Text darauf, diese gäbe es nicht nur in islamischen Ländern, sondern auch … in Bayern, Berlin-Neukölln und der Lüneburger Heide? Weit gefehlt: In »Brasilien, Indien und Italien«. Schön weit entfernt also von der eigenen Haustür.
Immer, wenn die Autoren etwas nicht rundheraus bestreiten können, verflüchtigen sie es ins Allgemeine. Wer die Verbreitung von Antisemitismus, Homophobie und Frauenunterdrückung in islamisch geprägten Ländern und Communities analysiert, wolle nur davon ablenken, dass es sich um »ein gesamtgesellschaftliches Problem« handele, und also den Eindruck erwecken, hierzulande sähe es anders aus. Das soll radikal klingen, ist aber das Gegenteil davon. Es zeugt von schlichtem Desinteresse. Wer so tut, als könne er den Unterschied zwischen einer Beziehungstat, an deren Ende sich der Familienvater, um nicht als Versager dazustehen, selbst erschießt, und einem Ehrenmord, bei dem der Henker von Freunden und Verwandten als Held gefeiert wird, nicht erkennen; wer gar suggeriert, es ergehe Frauen überall auf der Welt so wie im Iran, wo ein falsch aufgesetztes Kopftuch mit hundert Peitschenhieben geahndet wird, nimmt die Verhältnisse weder hier noch dort ernst – und wird also weder gegen das eine noch das andere zum Widerstand bereit sein.
Die merkwürdige Verschwommenheit, in welcher die Verhältnisse im Ankündigungstext erscheinen, wird sogleich verständlicher, wenn man sich klar macht, dass es, allem Gerede von Handlungsfähigkeit zum Trotz, darum am wenigsten geht. Wenn die Autoren in ihrem »Hintergrund«-Text einleitend erklären, sie wollten ihre »Motivation« zusammenfassen, den Kongress zu organisieren (als könnte es Besuchern, denen es um Erkenntnisse geht, nicht ganz egal sein, ob er aus Gutherzigkeit stattfindet oder aus Geltungssucht), ist das ernst zu nehmen. Nicht Analyse ist gefragt, sondern Befindlichkeit; darauf verweist ja schon die Penetranz, mit der Taten und Aussagen nicht daran gemessen werden, ob sie gut oder schlecht, richtig oder falsch, sondern ob sie ehrlich gemeint oder nur »vorgeschoben« sind.4 Das »AMR«-Ticket ist das hippeste neue Angebot an die linke Identität. Es erlaubt, der antideutschen Konkurrenz gegenüber endlich mit einem dem Antisemitismus ebenbürtigen -ismus (inklusive genealogischer Exkurse und lagerübergreifender Wirksamkeit) aufzutrumpfen. Und es ermöglicht, sich von den verwirrenden Erscheinungen der Gegenwart – Rebellionen, die mit islamistischen Wahlsiegen enden, Massenaufmärsche der Deklassierten, die mit Steinen, Eisenstangen und Lynchmorden die Ehre des Propheten verteidigen, und ein unerschrockener Drittweltführer, der gegen US-amerikanischen Druck das Recht seines Landes verteidigt, Israel mit Atombomben auszulöschen – nicht aus der gewohnten Bahn werfen zu lassen.
In gewisser Hinsicht ist der Flora-Kongress die logische Fortsetzung des in Berlin und Rostock stattfindenden »Zwischen Aufbruch und Pogromen«-Spektakels, jenem nostalgischen Rückblick von ›Avanti‹ & Co. auf die Ära von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen. Aus beidem spricht die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, als die Fronten klar waren und das Gefühl, das Herz am rechten Fleck zu haben, einfach zu erlangen. Die Rede vom »antimuslimischen Rassismus« aber verspricht, dass es damit auch heute noch nicht vorbei sein muss. Sie befriedigt den Wunsch nach einem Opfer, das nichts als Opfer ist: eines, auf dessen Seite man sich wohlfühlen kann, ohne dass der Genuss durch die Reflexion darauf gestört würde, dass jemand Opfer von Rassismus werden kann und doch zugleich einer menschenfeindlichen Ideologie anhängen.
Ganz unsinnig daher der beliebte Einwand, die Kritik am linken »AMR«-Gehampel schwäche doch nur den Kampf gegen die Rechtspopulisten. Es ist im Gegenteil gerade der Terminus des »antimuslimischen Rassismus«, der die populistische Ideologie verfehlt. Das Verhältnis des autoritären Charakters zum politischen Islam ist ja doppeldeutiger, als die Linken es wahrhaben wollen. Was ihm in Form von Minaretten, Muezzin und merkwürdigen Trachten als ›kulturfremd‹ aufstößt, muss ihm zugleich als Traum seiner schlaflosen Nächte erscheinen: eine Ordnung, in der die Frauen ihren Platz kennen und die Perversen nicht geduldet sind, in der statt Geist und Geld noch Gehorsam und Entsagung gefragt sind – und in der es gegen seine ureigenen Feinde, die Juden und die Amerikaner, geht. Kein Zufall daher, dass gerade die deutsche Ideologie seit Kaiser Wilhelms Zeiten, als man sich mühte, Türken, Araber und Perser zum Djihad gegen die Entente aufzustacheln, eine tiefe Affinität zu den ›Muselmanen‹ kennt. Und erst recht kein Zufall, dass just die scheinbar rabiatesten ›islamfeindlichen‹ Tiraden von Lobliedern kaum mehr zu unterscheiden sind. Wenn ein Sarrazin etwa die Zeugungsraten deutscher Akademiker mit denen von muslimischen Familien konfrontiert, dann ist die Hochachtung vor deren Virilität schwer zu überhören. Aus dem Phantasma von der unaufhaltsamen »Islamisierung« spricht stets die Abscheu vor der Dekadenz, die Verachtung des Wohllebens, welches ›uns‹ viel zu sehr verweichlicht habe, als dass wir dem Durchsetzungswillen und der Opferbereitschaft der Gläubigen noch etwas entgegenzusetzen hätten.
Nichts als dreist daher das beliebte linke Gejammer, wer den Islam kritisiere, laufe Gefahr, mit Rassisten gemeinsame Sache zu machen. Die spezifische Differenz von aufklärerischer Kritik und populistischer Hetze ist vielmehr nahezu mühelos zu bestimmen. Es ist die Empathie mit den Opfern islamistischer Barbarei. Weil diese in ihrer übergroßen Mehrheit selbst (ehemalige oder praktizierende) Muslime sind, sind sie für autoritäre Rassisten so wenig von Interesse wie für linke Kulturalisten; wenn beide nicht ohnehin gemeinsam der Ansicht sind, dass es, solange alle nur schön unter sich bleiben, unter islamischer Herrschaft gar nicht despotisch genug zugehen kann. Wer daher meint, über den Islam die Klappe halten zu müssen, um nicht ›den Rechten‹ in die Hände zu spielen, teilt mit diesen, ob gewollt oder nicht, die gleiche ideologische Grundlage: dass Muslime mit ihrem Muslimsein so restlos identisch sind, dass eine Kritik des Islams nicht etwa Perspektiven der Emanzipation eröffnet, sondern einzig und allein ein Verdikt über die Person darstellt.
Hamburger Studienbibliothek, Gruppe Melange & Assoziierte
11.10.2012
1 Alle Zitate, sofern nicht anders ausgewiesen, aus http://amrhh.blogsport.de/.
2 Die im übrigen nicht bloß von Rechten ausgeht, sondern genauso von Linken – wenn es etwa, wie in zahlreichen Friedensaufrufen, heißt, Ländern wie Afghanistan oder dem Iran dürften nicht einfach die ›westlichen Werte‹ aufgezwungen werden, sie müssten stattdessen ihren ›eigenen Weg‹ gehen dürfen. Die Hunderttausende, die 2009/10 gegen das Mullahregime auf die Straße gingen, erfahren auf diese Weise, dass auch ihnen Unterdrückung, Geschlechterapartheid und antisemitische Vernichtungsaufrufe kulturell einfach in die Wiege gelegt sind.
3 Diese Verwandlung des Islams in eine Ethnie wird auch der Grund sein, warum deutsche Konvertiten, an denen sich die Tragfähigkeit der Theorie des »antimuslimischen Rassismus« zu erweisen hätte, im ganzen Text nicht vorkommen. Gestalten wie Pierre Vogel oder Harry Machura wollen einfach nicht ins Schema passen.
4 Selbstverständlich darf man Konservative, die sich gegenüber dem Islam zu Rettern der Frauen und Homosexuellen aufschwingen, als heuchlerisch beargwöhnen. Nur sollte man nicht vergessen, dass Heuchelei, einmal in Fleisch und Blut übergegangen, nur ein anderes Wort für Zivilisation ist. Nicht undenkbar jedenfalls, dass selbst den Kulturkriegern, die Vernunft und Aufklärung zu Stammestotems des »christlichen Abendlandes« erniedrigen, ihre Rhetorik einmal auf die Füße fällt. Für den schwulen Sohn eines CDU-Lokalpolitikers dürfte es ganz schön sein, wenn er seinen Vater am Stammtisch statt gegen Weiber und Schwuchteln gegen Sexismus und Schwulenhass zetern hört.